Quirinalis und die Wurzeln. "Tage wie Jahre" in Eichstätt.

Römer, sanfte Hügel und bierbarockes Elysium: Der TwJ-Connaisseur kennt diese Begriffe als Beschreibung für Quirinalis' filmische Heimat. Ein Ort, dessen Namen im Film nie genannt wird. Doch treffen sie auch in besonderem Maße auf Eichstätt zu. Das Städtchen am Fuße der Willibaldsburg ist, wie der Chronist vielleicht bemerkt, nämlich der Geburtsort des Autors dieser Zeilen. Somit ist die Frage, was Quirinalis im Altmühltal verloren hat, leicht zu beantworten: Er reist zurück zu seinen Wurzeln. Er bekommt: Ein tolles Publikum, eine aufregende Woche. "Tage wie Jahre" läuft im Filmstudio im Alten Stadttheater, direkt am barocken Residenzplatz, der so aussieht, als könnte es eine Freilichtbühne für "Kabale und Liebe" sein. Jeden Augenblick erwarte ich, dass Sekretär Wurm durch den Portikus tritt. Doch statt seiner erscheint Quirinalis alias Laubi auf einem Fahrrad (die Ironie der Wortkombination "Laubi" und "Fahrrad" erschließt sich wohl nur dem, der die Dreharbeiten am Weltenburger Berg beobachten durfte), was mir dann am Ende doch lieber ist, als die Hofkamarilla des Herrn Präsidenten von Walter. Es ist mein letzter Tag hier in Eichstätt und einmal mehr macht sich etwas Wehmut breit, als ich nach einer letzten Stärkung in der "Trompete" den Weg durch das winterliche Altmühltal nach Hause antrete.

Gastspiel unterm Gasometer. "Tage wie Jahre" in Kelheim.

Die Reise geht weiter, wenn auch nicht weit. Der nächste Spielort von "Tage wie Jahre" ist dann auch gleich ein weiterer Drehort: Kelheim, an der Donau, zu Füßen jenes bavarohellenischen Freiheitsmonuments, das Quirinalis den "ludovizianischen Gasometer" nennt (eine Majestätsbeleidigung, die nicht jedem Zuschauer gefiel). Als wir auf dem nächtlichen Ludwigsplatz stehen, und die Befreiungshalle so markant vom Michelsberg herunterleuchtet, frage ich mich, wie viele Kelheimer wir damals wohl aufgeweckt haben, mit unserem martialischen Gebrüll. Etwa ein Jahr ist es her und die Kälte war damals wie heute, und so angenehm wie Mucius Scaevolas Hand in Porsennas Feuerkelch. Doch die Wunden von einst sind verheilt und wir strecken unsere Beine dreist unter den Sitz des Vordermannes, werfen sein Pilsfläschchen um und lassen das Trio ein weiteres Mal die Via Triumphalis entlanggehen. Und danach macht uns Michael zur Feier des Tages noch einen König-Ludwig-Teller. Trotz Sherry-Diät. Vae victis...

Quirinalis ante portas! "Tage wie Jahre" in Abensberg.

Ubi bene, ibi patria. Home is, where the heart is. Genau ein Jahr nach Dreh kehrte "Tage wie Jahre" zurück zu den Wurzeln. Endlich wieder in Abensberg. Am Anfang stand eine Teampremiere mit einer charmanten Feier im ehrwürdigen Hof des Karmelitenklosters. Diese Gartengesellschaft feierte derart stilvoll, dass selbst Sir Anthony Eden darin wie ein britischer Hooligan gewirkt hätte. Ubi Bene, ibi cervisia. Der Premierenvorstellung in der Babonenstadt folgte dann eine außergewöhnlich gut besuchte Woche im Roxy Kino, mit mehr als 1200 Zuschauern. Ein vielversprechender Auftakt für die anstehende Kinotour. Und Abensberg präsentierte sich einmal mehr als charmanter Gastgeber. Ante Romam Abensberg stetit annis mille trecentis.

Auf eine Bratwurst nach Bayerisch-Sibirien: Premiere in Hof

Zwischen jenen sanften Hügeln, wo die Saale eine Biegung beschreibt, wo einst die Hegemonie des Atlantikpaktes in den Ausläufern des Vogtlandes verebbte, liegt der Ort, von dem der müde Sänger kündet. Bierpaläste und Bratwurststände. Die größte der kleinen Inseln zwischen jenen Meridianen, wo Ulbricht einst eine Mauer baute. Und mittendrin: Drei Produzenten und vier Omschberger. Wir. Hof empfing uns kühl und regnerisch, doch der Charme der Klassenfahrt durchdrang die Wolken in Bayerisch-Sibirien. Die Gespräche defilierten munter zwischen Realpolitik und Revolution hin und her, die Bratwurst/Sherry-Diät wurde entwickelt, und August der Starke (auch bekannt als Josus der Mächtige) entdeckte seine Vorliebe für Prinzessinnenschnitzel. Bayern schlug Magaths Millionentruppe 4:2 and behold! Tage wie Jahre hatte seine Premiere. Und so gab es so manches Wiedersehen mit alten und neuen Bekannten, bevor man schließlich abends, in weißes Leinen gehüllt, an der Heizung einschlief. Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können. Sagt der lokale Heros Jean Paul. Klingt fast wie Proust. Also kaufen wir uns noch eine letzte fränkische Bratwurst mit Senf und benutzen sie als Madeleine. Adieu.

Am Ende der Tage wie Jahre. Ein Panegyrikus.

Quiriten, Freunde, Bürger Roms! Vor genau zehn Jahren posierte dieser pubertäre Angeber in Westminster. Langsam beginnt nun auch für "Tage wie Jahre" schon die Zeit der Jahrestage. Der alte Madeleineknabberer vom Boulevard Haussmann möge mir verzeihen, wenn ich ihn ungenau zitiere, aber wenn der beste Teil unserer Erinnerungen, wie er sagt, außerhalb von uns ist (ich glaube, er spricht von Wind und Kaminfeuer), dann kann ich dieser Memorabilia-Revue jetzt also noch etwas ganz besonderes hinzufügen. Der beste Teil meiner Erinnerungen ist jetzt nicht mehr nur an Orten, in Winden und Kaminfeuern, sondern steckt jetzt also auch in einem Film, der meine eigenen Erinnerungen panegyrisch verklärt. Das ist wahrlich ein Privileg. Dafür möchte ich allen danken, die bei der Entstehung von "Tage wie Jahre" mitgewirkt haben und so meine filmische Selbsttherapie ermöglicht haben. Habet enim praeteriti doloris secura recordatio delectationem. Vale.

Madeleine mit Obatzda. Eine nostalgische Kaffeefahrt.

Treue und aufmerksame Leser dieses Blogs mögen beim Autor dieser Zeilen vielleicht bereits einen schlecht versteckten Hang zur Nostalgie ausgemacht haben. Nun, das ist kein Geheimnis. Ein kalendarisches Jubiläum sowie die Wärme der letzten Sommertage erweckte dann sogar in den beiden nüchternen Zahlenjongleuren Dr. Max Frauenknecht und Benedikt Böllhoff (FDP) das Verlangen nach einer romantisch verbrämten Wanderung auf den eigenen Spuren (blumige Ausschmückung im Dienste der Verständlichkeit/Anm.d.Red.). Und so trafen wir uns da, wo einst alles seinen Anfang nahm: Im Biergarten natürlich. Die Kaffeefahrt begann auf Abensbergs Stadtplatz, sozusagen der guten Stube der Produktion, dann schipperten wir den Großen Strom hinauf. Kaperten einen Donaudampfer, grüßten devot aus der Ferne die Befreiungshalle, rauchten auf dem Eichberg in teenagerhafter Momentverklärung eine Zigarette und setzten schließlich, wie einst der gute und müde Joker, mit der Fähre von Hienheim nach Eining über. Dort tunkten wir unsere Madeleines tief in orangenen Biergartenkäse und ließen die Erinnerungen aus unseren Humpen aufsteigen, effektvoll in Szene gesetzt von der untergehenden Sonne und Zigarrenqualm aus Havanna. Und vielleicht werden wir, wenn wir eines Tages als Notare, Nudelprokuristen oder Aufsichtsräte auf jene Zeit zurückblicken, über die nostalgischen Schwärmer von damals lächeln. Oder nicht?

Weißer Rauch und Zigarrenqualm: Der Film ist fertig!

Annuntio vobis gaudium magnum! Nach eineinhalb Jahren Arbeit ist es nun endlich soweit: "Tage wie Jahre" ist fertig. Ein wenig seltsam ist es schon. Kein Zielstrich, kein Gipfelkreuz, keine fühlbare Zäsur. Nur ein Lieferschein und ein leeres Kino in der Türkenstraße. Nun liegt die Kopie bei mir auf dem Regal, zwischen Büchern und kitschigen Reiseandenken. Seine Uraufführung wird "Tage wie Jahre" bei den 42. Internationalen Hofer Filmtagen im Oktober haben. Danach folgen dann auch endlich die lange versprochenen Aufführungen im Abensberger Kino, bevor die filmischen Leiden des jungen Q. dann Ende November im Rahmen der BR-Kurzfilmnacht ausgestrahlt werden. Jaja, so is des, würde Jokers Vater dazu sagen. À bientôt...

Canción de jinete. Was in Andalusien geschah.



Auch wenn ich den Weg kenne, werde ich nie in Cordoba ankommen, sagt García Lorca. Natürlich meinte er nicht "das" Cordoba, jene austro-fußballerische Exklave, die die Kronen-Zeitung während der Fußball-EM so oft beschworen hatte, wie Erwin Huber den Mittelstand. Aber ein bißchen Fußball war schon im Spiel, als Christoph und ich zur Huldigungsreise ins Lande des Europameisters aufbrachen. Von Madrid aus ging es also Richtung Cordoba, doch wir erreichten es ebensowenig, wie der Reiter in García Lorcas Gedicht. Vielmehr bogen wir nach Osten in Richtung der Berge ab, "wennst neifahrst links", wie der Bayer zu sagen pflegt, und erreichten, wie im letzten Jahr, Úbeda, den Schauplatz der Internationalen Filmmusik Konferenz. And behold: Neben sonstigen Highlights wie Bruce Broughton im Hawaiihemd, oder den mit charmant-schottischem Akzent vorgetragenen Anekdoten von Patrick Doyle, wartete eine Live-Performance von Christoph und mir auf die ahnungslosen Spanier (die dafür sogar Geld bezahlen mussten/Anm.d.Red.). So kam also "Nameless Nostalgia" aus dem "Tage wie Jahre"-Soundtrack zu einer Uraufführung im ehrwürdigen Hospital de Santiago; der, wie wir finden, charmantesten Konzertlocation überhaupt. Fünf Tage im Herzen Andalusiens. Über die Sierra Nevada nach Granada. Die Alhambra sehen und sterben. Nach einem letzten Abendmahl mit aceitunas, clara und Montecristo No. 4 bei "El Tito" brach die müde Reiterschar gen Madrid auf und ließ die Türme, Sherry-Stiere und Olivenhaine hinter sich, durchquerte durstig La Mancha und erreichte Madrid am Abend des darauffolgenden Tages. Cordoba, weit weg, und einsam.


Auf die Mischung kommt es an.

Magenta, Cyan & Oranje. In der Farbkorrektur.

Während München, der berühmten Thomas Mann-Phrase eingedenk, bei sommerlichen Temperaturen vor sich hin leuchtete, und die Neo-Schwabinger Gucci-Bohème in den Straßencafés die edle Blässe gegen eine sanfte Bräune einzutauschen gedachte, stiegen Martin und ich einmal mehr in die klimatisierte Dunkelheit der Postproduktion hinab. Die Farbkorrektur stand auf dem Programm. Zum Glück durften wir das dunkle Gelass mit einem alten Bekannten teilen: Stefan, der bereits bei "Lethe" am Bild gezaubert hatte, war auch diesmal wieder an Bord. Und so vergaßen wir bald das sommerliche Arkadien hinter den Vorhängen, und tauchten ein in die herbstliche Melancholie von "Tage wie Jahre". Am selben Tag, an dem wir gegen Magenta-Stiche kämpften, triumphierte auf dem grünen Rasen Orange über Azurblau, was für reichlich Diskussionsstoff in den Coffee&Cigarettes-Pausen sorgte. Trotz der Nebentätigkeit als Bundestrainer schafften wir in den zwei Tagen ein unglaubliches Pensum und kehrten rechtzeitig zum Juni-Monsun in die Freiheit zurück. Sic transit gloria mundi. Das gilt für Wetter und Weltmeister. Amen.

Gloomy Sunday oder: Wie ein Trauermarsch entsteht.

Königlich-bayerisches Biergartenwetter über den Hopfengärten. Mühlhausen döst friedlich vor sich hin an diesem sommerlichen Sonntag, der für alles mögliche geschaffen scheint, am wenigsten jedoch für die Aufnahme eines Trauermarschs. Trotzdem fand sich die "Beerdigungsbesetzung" der Blaskapelle Mühlhausen mit högschder Disziplin ein, wenngleich auch der etwas legere Dresscode der epochalen Beerdigung des Weizen-Xare kaum genügt hätte. Nichtsdestotrotz floss das Wasser sturzbachartig aus den Ventilen der Trompeten und aus den Poren der Musiker. Schweißtreibend "jagte" Christoph die bedauernswerte Combo in tristem Trauermarschtempo durch die Partitur. Die Tapferen hielten durch und verdienten sich ihre Teilnahme am Leichenschmaus durch wahrhaft körperliche Arbeit. Rechtzeitig zu "Lindenstraße" war es dann geschafft, und der Autor dieser Zeilen glich dem alten Emil Zatopek, als er mit heraushängender Zunge der Labsal eines kühlen Radlers entgegenhechelte. Fin.

Einmal Griebnitzsee und zurück. Ein Orchester für "Tage wie Jahre".

Athen und Sparta, Feldlager und Garten Epikurs, Trompeten und Violinen, Krieg und Philosophie. So sprach der alte Voltaire, als er beim Würfeln mit dem alten Fritz auf der Schlossterrasse von martialischem Hundegebell aufgeschreckt wurde. Genau so, oder so ähnlich muss es gewesen sein. Bis zum flötenden Friedrich drang unser redseliger Taxifahrer zwar nicht vor, aber der Weg von Tegel nach Babelsberg barg so einiges an Klatsch & Tratsch aus dem märkischen Sand. Todmüde waren Christoph und ich zur Unzeit aus dem Flieger zum Taxi gewankt, nachdem die Abflugzeit in München in etwa so unpassend früh war, wie der vorzeitige Meistertitel der Fernglas-Bayern. Potsdam also. Zwischen Knobelsdorffs sorglosem Rokoko und den malerischen Havelseen scharte Christoph ein Orchester um sich. Nach "Lethe" sollte auch diesmal wieder das Deutsche Filmorchester Babelsberg den orchestralen Teil der Filmmusik einspielen. Nachdem wir letztes Mal noch im bröckelnden Charme des Alten Rundfunkgeländes an der Nalepastraße aufgenommen hatten, war das Orchester mittlerweile, seines Namens eingedenk, auf das Gelände der Babelsberger Studios umgezogen. Zwar ohne die elegische Patina, aber dafür mit Raumschifftechnik empfing uns das neue Studio. Die Uhr tickte: Zwanzig Minuten Orchestermusik warteten auf das Ensemble. Und ohne zuviel zu verraten, kann ich sagen: Es war (natürlich!) großartig. Zur Feier des Tages ließen wir es in der RBB-Kantine so richtig krachen und tafelten wie der alte Lucullus an seinem Hochzeitstag (Übertreibung möglich/Anm.d.Red.). Zurück in Tegel legte ich mich noch unters Messer, um mir von der Flughafencoiffeuse die wilde Haarpracht auf ein für die nun achtzigjährigen Augen meiner Großmutter erträgliches Maß zurückstutzen zu lassen. Nachdem ich im Anschluss wie Caravaggios Narciss vor den Flughafenspiegeln herumgetänzelt war, bringt uns TomatensaftundBrezel-Airlines zurück nach Monachium. Leichter Regen. Leichtes Gepäck. Tiefer Schlaf. Endlich.


Nachtlied und Taggesang. Musikaufnahmen.



A long expected party: In der dörflichen Idylle von Eichenau fanden sich die Musiker ein, um in den Dorian Gray Studios den "bandigen" Teil der Filmmusik einzuspielen. Darunter auch bekannte Gesichter aus the old drifting days, was zumindest bei mir eine gewisse Schwelgerei auslöste. Der Madeleine-Effekt des Tonstudios tat sein übriges, und so konnte ich mich genußvoll zu den Klängen der Band zurücklehnen, während vor meinem geistigen Auge die musikalische Vergangenheit aus den Tiefen einer Flasche Kizuli-Limonade emporstieg. Gesundheitlich war die Session sicherlich ein Rückschritt, da eine nächtliche Palak Paneer-Orgie nicht wirklich vorgesehen war. Spät, sehr spät verließen wir das Studio, im Gepäck eine Festplatte voller Musik und das groovige Piano-Thema in den Beinen, als wir im Morgengrauen über verlassene Straßen der Münchner Heimat entgegenbrausten...




Deppen, Gracchen und Kracherl: Sprachaufnahmen.

Bavaria Musikstudios, später Nachmittag. Wir warten und vertreiben uns die Zeit mit Kracherlschlürfen und dem eingehenden Studium der Autogrammkarten an den Wänden. Graf Isolan kommt zu spät, und natürlich entschuldigt der weite Weg sein Säumen. Endlich vollzählig beginnen wir mit den Sprachaufnahmen. Die drei Gracchen, heute mit Ambros zum Quartett aufgestockt, tauen langsam auf. Wie vorauszusehen war, läuft eine ungenannt bleiben wollende Hopfenland-Primadonna zur Höchstform auf (Name der Redaktion bekannt!), kann den stoischen Tonmeister jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Wir arbeiten gut und mit Einsetzen von Dunkelheit und Regen sind wir durch. Hoc erat in votis. Vom abendlichen Gelage, das die Cena Trimalchionis zu einer müden Brotzeit degradieren sollte, soll an anderer Stelle berichtet werden...



Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an. Erste Skizzen aus dem Studio.

Selbst der mittlerweile tragisch verschiedene Anarcho-Pädagoge und Zaubermeister Albus Dumbledore gestand der Musik eine weit größere Magie zu, als all den kleinen Zaubertricks auf dem Hogwarts-Lehrplan. Wie weise. Seit März arbeitet Christoph nun an der Musik zu "Tage wie Jahre". Die meiste Zeit verbringt er natürlich mit dem Polieren seiner Preise, aber hin und wieder sitzt er auch vor "Tage wie Jahre" und unterlegt die quirinalische Via Dolorosa mit seinen exquisiten Klängen (Überteibung nicht ausgeschlossen/Anm.d.Red.). Ich bin natürlich aufgeregt wie ein Schuljunge, und vermutlich deshalb genauso aufdringlich. Also verbringe ich jetzt eine Menge Zeit links hinter Christophs Schulter, um möglichst viel vom Fortschritt mitzubekommen. Was nicht nur zur Folge hat, dass Christophs Trophäen etwas Staub angesetzt haben, sondern auch, dass sich zu meiner ungesunden Ernährung jetzt also auch noch die Speisekarte der Thai-Metzgerei aus der Klenzestraße gesellt hat. Das dort heimische Karibik-Spezi mausert sich allmählich zum Geheimtipp. Heute höre ich zum ersten Mal 1M03, die Stelle, an der Quirinalis und Joker ihren langen, nächtlichen Heimweg antreten. Ein wunderbar lakonisches Piano. Ich bin gespannt, was noch kommt...

Heimatfilm. "Wig & Chuck", Folge 93

Von Nachtschicht und Erdnuss-Sauce. Immer noch im Schneideraum.

Die Schneideräume in der Brecherspitzstraße waren niemals ein sonderlich heimeliger Ort. Aber seit dem Rauchverbot strahlen die Wände dort in etwa so viel Lebensfreude aus, wie Robert Schumann kurz vor dem Freitod. Das Kelheimer Finanzamt ist ein Rokokoschlößchen gegen diesen Bunker. In unserem Kabuff versucht ein Bild von Will Oldham eine wohldosierte Prise anarchischer Fröhlichkeit zu verbreiten, was ihm jedoch nur bedingt gelingt, da René und ich wie zwei Uboot-Navigatoren auf den Bildschirm starren. Hinter uns stapeln sich Spezi-Flaschen und Holler-Schorlen. Kanadische Postrock-Kollektive dröhnen aus den Schrammel-Boxen und unterlegen das tausendmal Gesehene mit urbanem Weltschmerz, der zusammen mit den Bildern aus Niederbayern eine verrückte Mischung ergibt. Zumindest erscheint es mir um diese Uhrzeit so. Wie oft ich nun schon in Reis mit erkalteter Erdnuss-Sauce gestochert habe, weiß ich nicht mehr. Irgendwann sind wir dann tatsächlich fertig. Die Nachtschicht geht zu Ende, die Fließbandarbeiter der Kulturindustrie schlendern schwerfällig über die verlassenen Straßen. Die S-Bahnen fahren wieder. Ich klammere mich müde an Neruda und taumle die letzten Schritte nach Hause.

Lebt wohl ihr Berge! Ein letzter Alpendrehtag.