Heimatfilm. "Wig & Chuck", Folge 93

Von Nachtschicht und Erdnuss-Sauce. Immer noch im Schneideraum.

Die Schneideräume in der Brecherspitzstraße waren niemals ein sonderlich heimeliger Ort. Aber seit dem Rauchverbot strahlen die Wände dort in etwa so viel Lebensfreude aus, wie Robert Schumann kurz vor dem Freitod. Das Kelheimer Finanzamt ist ein Rokokoschlößchen gegen diesen Bunker. In unserem Kabuff versucht ein Bild von Will Oldham eine wohldosierte Prise anarchischer Fröhlichkeit zu verbreiten, was ihm jedoch nur bedingt gelingt, da René und ich wie zwei Uboot-Navigatoren auf den Bildschirm starren. Hinter uns stapeln sich Spezi-Flaschen und Holler-Schorlen. Kanadische Postrock-Kollektive dröhnen aus den Schrammel-Boxen und unterlegen das tausendmal Gesehene mit urbanem Weltschmerz, der zusammen mit den Bildern aus Niederbayern eine verrückte Mischung ergibt. Zumindest erscheint es mir um diese Uhrzeit so. Wie oft ich nun schon in Reis mit erkalteter Erdnuss-Sauce gestochert habe, weiß ich nicht mehr. Irgendwann sind wir dann tatsächlich fertig. Die Nachtschicht geht zu Ende, die Fließbandarbeiter der Kulturindustrie schlendern schwerfällig über die verlassenen Straßen. Die S-Bahnen fahren wieder. Ich klammere mich müde an Neruda und taumle die letzten Schritte nach Hause.