Von Piraten und Grazien. Dritter Drehtag.

Zugegeben: Ein bißchen nervös war ich schon, als wir im Morgennebel an der Fähre standen. Nicht so sehr wegen der üblichen Verspätung, mit der wir begannen. Aber angesichts der Tatsache, dass meine beiden Lieblingsszenen an einem Tag auf dem Programm standen, war ein wenig Anspannung schon nachvollziehbar.
Und dann standen wir auch noch an der Donaufähre, unweit der Stelle, an der, wie der traurige Sänger kündet, vor Zeiten die dumpfen Nibelungen auf ihrer Reise gen Süden die Donau überquerten. Was für ein Omen. Doch vom anderen Ufer nahte Erlösung für meine trüben Gedanken: Markus kam mit dem Schweinchenmobil und setzte standesgemäß mit der Fähre über. Und als dann die Sau majestätisch im Morgennebel über die Wellen der Donau einschwebte, waren auch meine letzten Gedanken an den Schlachtermeister Hagen von Tronje verflogen, und ich konnte Lookie guten Gewissens auf seine müde-heroische Überfahrt schicken. Martin gleitet sanft über die Schienen und ich weiß schon, was später meine Lieblingseinstellung im Film sein wird. Sacre bleu, Lieblingsszene, Lieblingslocation: Der Erwartungsdruck ist ja nicht gerade gering. Aber ich muss sogar meine kindliche Euphorie mit etwas Spezi hinunterspülen, so gut klappt alles. Die aufgehende Sonne vertreibt den Nebel und die letzten Zweifel, dass heute etwas schief gehen könnte.

Mittag. Wir fahren donauabwärts, nach Kelheim. Hinter uns quält sich das Schweinchenmobil in halsbrecherischer Fahrt die Serpentinen des Michelsberges hinunter zur Anlegestelle. Nach einem halben Spezi und einem phänomenalen Auflauf dann auch schon das große Finale: Der Kaperbrief für die Renate. Großer Bahnhof für die drei Piraten: Am Ufer steht eine Traube Menschen und sieht zu, wie die quirinalische Geltungssucht am Ende doch noch einen finalen Sonnenkuss auf die am Heck wehende Siegesfahne bekommt. Und am Ende der winkenden Grazien steht schließlich, wie bei "Fitzcarraldo", huldvoll winkend, eine Claudia Cardinale aus Abensberg, gegen deren Anmut eine mamorne Hebe von Antonio Canova wie eine Knetfigur aus dem Handarbeitsunterricht bei Frau Moser wirkt. Holy shit, I think I'm in love. Eifersüchtig nehme ich zur Kenntnis, dass sie nicht mir, sondern diesen drei Knalltüten auf dem Schiff winkt. Ich verdränge den Gedanken an das geladene Digital-Sepp-Gewehr im Requisiten-Sprinter, und nehme mir nur vor, am nächsten Drehtag besonders unfair zu ihnen zu sein.
Dann fährt das Schiff auch schon in die tief stehende Sonne und der Drehschluss fällt unbarmherzig über die Knabenträume her. Die Karawane pilgert zurück nach Abensberg. Hatte ich schon erwähnt, dass ich wirklich gerne Spezi trinke? Meine Versuche, die anderen ebenfalls abhängig zu machen, tragen die ersten Früchte. Mit Freude nehme ich zur Kenntnis, dass in der abendlichen Vorbereitungs- und Nachbereitungsrunde immer mehr brauner Lebenssaft anstelle der Bierflaschen tritt. Und das, obwohl morgen drehfrei ist! Muss mir vor dem Schlafengehen nochmal "You're all gonna break" anhören, und mir das Schiff vorstellen, wie es in den Sonnenuntergang fährt. Und einen Kübel neben das Bett stellen, damit all der Kitsch hineinlaufen kann...


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